Heute zogen bereits um 5:45 die ersten Pilger unter dem Fenster meines Domizils durch. Was haben die vor, bzw. wo wollen die hin, das sie so früh starten?
Ich war dann heute auch recht früh (gegen 8:00) auf dem Weg. Für die heutige Etappe durch das Tal des Río Valcarce standen zwei Varianten zur Wahl:
– entlang der vermeintlich verkehrsarmen Landstrasse
– der Camino duro (= harter Weg) über die Bergflanken
Da ich in den letzten Tagen genug vom Seitenstreifen der spanischen Landstrassen gesehen hatte, stand für mich fest, dass ich den Camino duro gehen wollte. Seinen Namen „harter Weg“ verdankt er dem erheblichen Höhenunterschied den es bei Auf- und Abstieg zu überwinden gilt.

Zuerst folgte ich der Pilgerkarawane durch Villafranca, als ich mich dann am Ortsende auf der Landstrasse befand war mir klar, das ist nicht mein Weg! Ich hatte den Abzweig verpasst, also machte ich kehrt und lief gegen den Pilgerstrom zurück. Auf die diversen Fragen antwortete ich immer nur mit „Camino duro“ was mir durchweg staunenede Blicke einbrachte. Hoffentlich ist der Weg nicht so hart wie alle meinen… 😉

Endlich hatte ich den Abzweig gefunden, der Hinweis in Bodennähe war durch die parkenden Autos nicht zu sehen und begann meinen Aufstieg. Dieser war zu Anfang recht steil, schliesslich galt es die ersten 300 Höhenmeter zu erklimmen, flachte sich dann aber nach dem ersten Kilometer merklich ab. Mit meiner in den letzten Wochen erlaufenen Kondition war dieser Aufstieg kein echtes Problem.

Da ich mir nicht sicher war, wie lange ich heute bis zum Ziel benötigen würde, beschloss ich meine Unterkunft heute mal im Voraus telefonisch zu reservieren – was angesichts meiner limitierten Spanischkenntnisse allerdings gründlich scheiterte. Zum Glück konnte mir meine Frau hier weiterhelfen und für mich telefonisch reservieren. 🙂

Nach dem Aufstieg folgte Genuss pur! Der Camino duro führte auf einem teils leicht ansteigenden, teils ebenen Weg hoch über dem Tal der Río Valcarce dahin. Der Weg war gesäumt von blühenden Ginster, Lavendel und wilden Rosen und bot eine grandiose Fernsicht auf die umliegenden Höhenzüge. Die Schneeberge am Horizont erschienen zum Greifen nah. Unten im Tal, durch das sich neben der Landstrasse auch noch die Autobahn schlängelt, waren die Pilger auf der Landstrasse zu erkennen. Pech, denn sie hatten heute eindeutig die falsche Wegvariante gewählt.

Auf dem insgesamt 11 km des Camino duro traf ich nur zwei andere Pilger! Der Weg hatte inzwischen seinen höchsten Punkt erreicht und führte nun durch einen lockeren Esskastanienwald sanft abwärts.
Viel zu schnell war das letze Teilstück der Camino duro erreicht: der sehr steile Abstieg ins Tal stand bevor. Hier machte der harte Weg seinem Namen alle Ehre. Aber auch der Abstieg ist machbar – ich kann die Variante „Camino duro“ nur empfehlen, die in den einschlägigen Wegbeschreibungen zu lesenden Warnung erscheinen mir übertrieben. Ohne gesundheitliche Probleme, mit der seit St. Jean erlaufenen Kondition und genügend Zeit (ca. 1 h mehr als im Tal zum gucken und geniessen) ist der Weg auf jeden Fall machbar und ein unvergessliches Erlebnis. Er ist sicher eine der schönsten Passagen des gesamten Camino Francés.

In Trabadelo traf ich dann auf die Landstrasse. Von wegen verkehrsarm! Die 40-Tönner brausten im Minutentakt vorbei. Der Gehweg war zum Glück durch eine kleine Betonwand zumindest optisch von der Fahrbahn getrennt.
Unterwegs traf ich dann noch zwei Bekannte: die eine ist vom Bodensee bis hierher gelaufen, ich überhole sie momentan fast täglich einmal. Die andere habe ich vor drei Wochen in der Casa Paderborn in Pamplona kennengelernt, nach meinen zwei Ruhetagen in Pamplona hätte ich nie gedacht, dass ich ihr nach über 500 km noch einmal über den Weg laufe.
Im Gespräch kamen wir an der recht tristen Landstrasse schnell voran und schon bald war mein Etappenziel Las Herrerías de Valcare wo ich in einer sehr schönen Casa Rural übernachte, erreicht. Die beiden wollten heute noch weiter, so wünschten wir ins einen ¡Buen Camino! und gingen unserer Wege.
Tag 27: Villafranca del Bierzo nach Las Herrerías de Valcare via Camino duro (20 km)