Heute zeigte sich Galizien von seiner typischen Seite: Als ich um kurz nach 7 auf die Strasse trat war der Himmel nebelverhangen.

Mit der Ruhe auf dem Camino ist es ab jetzt definitiv vorbei. Der Weg aus Sarria heraus war frequentiert wie bei einem Volkswandertag. Ganze Gruppen waren da unterwegs, alle natürlich mit wenig bis keinem Gepäck und gekleidet wie aus dem Ei gepellt. Interessanterweise grüssen diese Pilger nicht, sie sind viel zu sehr mit dem Geschwätz in ihrer Gruppe beschäftigt. Trifft man dagegen einen Langzeitpilger (leicht zu erkennen am Rucksack und der Kleidung) hört man ein ¡Holla! oder ein aufmunterndes ¡Buen Camino!
Auf der Steigung nach Sarria versuchte ich durch eine schnelle Gangart die Gruppen abzuhängen was mir dann letztendlich auch gelang. Danach war der Camino wieder so wie ich ihn kennengelernt habe, lang und meistens einsam.

Galizien hat etwas mystisches an sich, die keltische Vorgeschichte ist an vielen Orten spürbar. Schreitet man durch einen nebelverhangen uralten Wald erwartet man jeden Moment, dass hinter dem nächsten Baum ein Druide auf der Suche nach Zutaten für seinen Zaubertrank auftaucht.
Die Sonne hatte den Nebel inzwichen durchdrungen, die Vögel sangen und es ging durch eine schöne Wald- und Wiesenlandschaft.

Heute habe ich zum ersten mal einen Hórreo, einen für die galizischen Bauernhöfe typischen Kornspeicher gesehen.

Auch typisch sind die Corredoira (Hohlwege). Teilweise haben Weg und Bach hier den selben Verlauf. Der Bach nimmt dann die ganze Breite des Weges ein.

Nasse Füsse bekommt man aber nicht, der Fussweg führt über grosse Steinplatten in der Mitte des Weges, rechts und links plätschert munter das Wasser.

Portomarín liegt am Ufer eines Stausees. Der alte Ort ist in den 60er Jahren in seinen Fluten versunken. Nur bei Niedrigwasser kommen einige Mauerreste wieder ans Tageslicht.

Das neue Portomarín ist eine recht gelungene Neubaustadt. Der Hauptstrasse sieht man nicht an, dass sie gerade erst 50 Jahre alt ist. Die alte Kirche wurde Stein für Stein abgetragen und am neuen Ort wieder aufgebaut. Wenn man genau hinsieht, erkennt man noch die Nummerierung der einzelnen Steine.

Heute war es dann auch soweit: Ich habe den Kilometer 100 (gezählt ab Santiago) überschritten! Nach inzwischen über 600 gelaufenen Kilometern (gestern vor 4 Wochen bin ich in St. Jean losgegangen) sind es nun nur noch wenige Tagesreisen nach Santiago.
Ultreya! (alter Pilgergruss, heisst soviel wie „immer weiter“) – das Ziel ist nah!
Tag 30: Sarria nach Portomarín (22 km)